Auzug aus:

Ausflug ins Exil
- Tangotänzer -



... Rafael ist Argentinier, ein stattlicher Mann. Bestimmt 1,95m groß, mit einer Statur, an der alles im optimalen Verhältnis aufeinander abgestimmt ist. Nicht zu mager, nicht zu muskelbepackt. Mit seinen 44 Jahren genießt er den Al­tersunterschied zu seiner Frau. In seiner strengen, schwarzen An­zug­hose, mit seinen glänzenden Lederschuhen und seinem an­thra­zit­farbenen, eng an­lie­genden Kaschmirpullover ist er ganz Athlet seiner Jugendzeit und gestan­dener Mann heute, der sehr genau um seine Attraktivität weiß.

Eine Augenweide, die die Zweidimensionalität eines Modekataloges nicht zu bieten hat. Ein wunderbares Exemplar von einem Mann. Kraft und Ero­tik pur, Frechheit und Arroganz ausstrahlend, Autorität lebend und liebend.

Was für ein Machoarsch, denke ich und bin zugleich hingerissen. Hingeris­sen von seiner Präsenz und von seinem Hinterteil. Anmerken lasse ich mir na­türlich nichts, schenke ihm lediglich die für diese Lehrstunde nötige Auf­merk­samkeit. Eine solche Distanz zu wahren ist keine Kunst, wenn besagtes Wesen sich selbst auf Abstand hält, ich bis dahin also nur Beobachterin bin.

Dann aber kommt sie angebraust, die Minute mit ihm, der zupackende Au­gen­blick unserer Umarmung. Wir tanzen. Er tanzt mich, bewegt mich, führt mich, rügt mich und lobt mich. Was mich da in den Armen hält, wen ich da um­arme, das ist fleischgewordener Glaube, geerdete Erkenntnis himmlischer Ein­ge­bungen, alles ein riesiges Stück Wonne, eigentlich aber Orgasmus ...